Karte mit AllTrails anzeigen |
Wanderreitkarte anzeigen |
GPS-Daten herunterladen |
|
Da wir den Postbus von Emmetten nach Seelisberg um 9:10 Uhr in Anspruch nehmen wollen, fahren wir von Zuhause 10 Minuten früher ab, als gewöhnlich. Schliesslich müssen wir durch den Gubrist-Tunnel und da ist regelmässig mit einer Verkehrsbehinderung zu rechnen.
Im Ortszentrum von Emmetten parken wir auf dem grossen Platz in Postnähe, ziehen unsere Wanderschuhe an und laufen zur nahegelegenen Bushaltestelle. Der Fahrplan bestätigt noch mal die Abfahrtszeit und schon rollt der gelbe Postbus an. Als Ausgangspunkt unserer Wanderung empfiehlt uns der Busfahrer die Haltestelle Tanzplatz. Für 4,80 CHF nimmt er uns bis dort hin mit.
Unser Gipfel, der Niderbauen-Chulm, versteckt sich im Moment noch hinter einer dicken Wolke. Gleich hinterm Ortsrand taucht der Wanderweg in einen Urwald ein. Moosbedeckte Felsbrocken zwischen den Bäumen sorgen für eine ungewöhnliche Atmosphäre. Leider trifft der Wanderweg bald wieder auf ein Asphaltsträsschen. Dafür taucht unterhalb einer senkrechten Felswand rechterhand jetzt ein kleiner See Namens Seeli auf.
Hier könnte man in eine kleine Seilbahngondel einsteigen, um sich über 400 Höhenmeter nach Weid hinauf befördern zu lassen. Wir sind aber Sportskanonen und wollen dieses Angebot nicht annehmen. Deshalb laufen wir auf dem Asphaltsträsschen noch ca. 300m weiter und biegen dann rechts, in einen Wanderweg ein.
Die folgenden 400 Höhenmeter gestalten sich abwechslungsreich und immer anspruchsvoll steil. Tief eingeschnittene Pfade, mit Treppchen angelegte Waldwege und Wiesenpfade wechseln sich ab. Manchmal ist auch kaum eine Trittspur in der Wiese zu erkennen. Hie und da können wir einen grandiosen Tiefblick auf den Vierwaldstätter See erahnen, wenn die Wolkendecke gerade mal etwas dünner geworden ist. Dann sehen wir leuchtende Spuren von Dampfern auf dem Urner See, dem südlichsten Ableger des Vierwaldstätter See.
Nach einer Stunde erreichen wir schweissgebadet die Bergstation der kleinen Gondelbahn, die wir verschmäht hatten. Zwei kleine Kätzchen beobachten uns aufmerksam und springen dann davon. Wir müssen furchterregend aussehen. Die Türe des alte Holzhäuschen, in dem eine leere Gondel auf Fahrgäste wartet, steht offen. Wir bewundern die vielen Auszeichnungen des Hinterwälder Zuchtbetriebs für Rassensieger, die akkurat an die Holzwand genagelt sind.
Kein Mensch weit und breit zu sehen und der Nebel verleiht dem Anwesen eine geisterstadtähnliche Atmosphäre. Nach mehrmaligem, hektischen Klingeln fährt die Gondel ohne Passagiere ab. Kätzchen weg, Gondel weg, keine Menschen da, also machen wir uns auch auf den Weiterweg. Ohne Aussicht aber nicht aussichtslos folgen wir dem einmalig angelegten Wanderweg und passieren so manche Holzhütte, deren Fassade vom rauen Bergwetter gezeichnet ist.
Vierzig Minuten später treffen wir auf eine weitere Alm Namens Lauweli. Die Wolken sausen jetzt vorbei und geben ab und zu einen verschwommenen Blick auf die senkrechte Ostwand des Niderbauen-Chulm frei. War die Steigung der letzten 250 Höhenmeter eher moderat, muss es gewaltig steiler werden, denn unser Gipfel liegt jetzt Luftlinie gemessen genauso nahe bei uns, wie Höhenmeter über uns. Das bedeutet eine durchschnittliche Steigung von 45 Grad. Auf einem Stassenabschnitt im öffentlichen Verkehr würde ein Verkehrsschild eine Steigung von 100% angeben. Soweit die Theorie. In der Praxis liegt der Gipfel des Niderbauen-Chulm etwa 400 Höhenmeter über uns.
Ein blauer Wanderwegweiser bezeichnet den Pfad als Bergweg und warnt vor Steinschlag und oder durch Wildwechsel. Die Sonne zeigt sich jetzt öfters, lässt sich aber immer wieder von Wolkenfetzen verdecken. Sekundenweise kommt nun die Wand mit einer Scharte zum vollen Vorschein. Durch diese Scharte muss wohl unsere Route führen, kaum vorstellbar.
Über Geröllfelder folgen wir dem markierten Pfad auf die Scharte zu. Gequältes Hundegebell meldet Proteste aus der Richtung der Scharte. Dann sind in der Wand zwei Wanderer zu sehen, die ihren Hund über heikle Stellen, die für Hundepfoten ungeeignet sind, hinweg heben.
In Ermangelung an natürlicher Trittfläche ermöglichen mehrere Metallstifte ein Weiterkommen für Nichtbergsteiger. Drahtseile geben zusätzlichen Halt. Nach Überwindung dieser Schüsselstelle stehen wir unterhalb eines Höhleneingangs. Eine Treppe mit ziemlich durchgebogenen Stufen führt direkt zu diesem Eingang.
Die Höhle besteht nur aus einem langen, steil nach oben führenden Gang, in den eine treppenähnliche Leiter mit beidseitigem Geländer montiert ist. Oben leuchtet der helle Höhlenausgang, das Licht am Ende des Tunnels. Am Höhlenausgang wartet die nächste Überraschung. Linkerhand lauert der senkrechte Abgrund mit einer magischen Anziehungskraft.
Der weiterführende, schmale, in den steilen Fels gehauene Pfad ist nass und macht einen rutschigen Eindruck. Um so fester greifen wir das bergseitig angebrachte Drahtseil. Und schnell aber vorsichtig ist diese weiter Schlüsselstelle auch überwunden. Kurze Serpentinen führen jetzt durch eine steile Rinne nach oben.
Auf dem Sattel angekommen, überrascht ein weiter Blick über die Oberkante der Wolkendecke, aus der gerade mal der Gipfel der Pilatus heraus schaut. Rechterhand der Blick auf einen sonnigen Wiesenhang, auf deren Oberkante die Markierung des Niderbauen-Chulm zu sehen ist. Entlang der Kante rasten etliche Wanderer in der herrlichen Sonne, deren Strahlen hier oben nur selten durch einen Wolkenfetzen blockiert werden.
An der Oberkante der Gipfelwiese stehen noch die Pfosten eines Weidezauns, während die Stacheldrähte schon wintertauglich auf dem Boden liegen. Jenseits der Bergkante geht es senkrecht abwärts. Soweit die Wolken es zulassen, hat man hier einen wunderschönen Tiefblick auf das Seeli, Seelisberg und einen grossen Teil des Vierwaldstätter See.
Immer wieder legt sich aber eine Wolkenschicht in die Tiefen und nur die Gipfel einzelner Berge schauen aus der Wolkenschicht heraus. Wir setzen uns ins Gras und beobachten das Spiel der Wolken. Der Gedanke, abwärts wieder in die Wolkendecke eintauchen zu müssen, lässt die Gipfelrast etwas länger ausfallen. Schwarze Dolen nähern sich bettelnd bis zu einem Mindestabstand. Schliesslich verlassen wir doch den gastlichen Ort und begeben uns westwärts.
Die Sonnenstrahlen durchdringen jetzt auch in tieferen Lagen die dünner gewordene Wolkendecke. In Vierzig Minuten steigen wir über den Wiesenhang etwas mehr als 300 Höhenmeter ab und freuen uns über die bewirtschaftete Alm Tritt, denn unsere Trinkvorräte sind ein der längeren Gipfelrast doch etwas geschrumpft. Zwar wird die Alm schon für den Winterschlaf vorbereitet, aber wir bekommen noch einen kühlen Apfelwein. Die Kühe wurden bereits am Vortag ins Tal geführt.
Schliesslich marschieren wir weiter, durch eine grüne, schon leicht herbstlich anmutende Berglandschaft, vorbei an Almen, Geländeeinschnitten und tiefen Tobeln. Wir folgen der Beschilderung in Richtung Choltal, durch das wir nach Emmetten zurück laufen wollen. Ein bestens präparierter, breiter Wanderweg führt uns in vielen Kehren weit hinunter in das Tal.
Wir werden Zeuge eines modernen Almabtriebes. Die Tiere werden in einem modernen Anhänger mit einem riesigen Traktor ins Winterlager gefahren. Würde nicht wundern, wenn dieser Traktor mit Klima-, Stereoanlage und Navi ausgerüstet wäre, wir schauen nicht nach.
Dem kaum abfallende Asphaltsträsschen durch das Choltal folgen wir in Richtung Norden. Unterwegs treffen wir auf einen Jäger, der mit dem Feldstecker den gegenüberliegenden Hang nach einer todesmutigen Gems absucht. Gestern noch hat er eine erlegt. Wir wollen dem Todeskampf nicht beiwohnen und setzen unseren Marsch fort.
Das Angebot eines netten Autofahrers, seinen Taxidienst zu nutzen, lehnen wir dankend ab, denn wir sind ja Sportskanonen. Nach einer scharfen Linkskurve zweigt ein Wanderweg nach rechts ab. Die Häuser von Emmetten kommen zum Vorschein. Bis zum Ort hin verkümmert der anfänglich breite Wanderweg bis zu einem kaum sichtbaren Wiesenpfad.
Von der Talstation der Seilbahn, die auf die Hochebene Niderbauen führt, laufen wir noch 400 Meter der Ortsstrasse entlang, bis zum Parkplatz, wo wir morgens knapp den Postbus nach Seelisberg erwischt haben.