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Nicht immer hat man freie Fahrt auf den kleinen Parkplatz am Ortsrand von Starkenbach. Gelegentlich könnte eine Holzkiste am Drahtseil, auch Seilbahn genannt, einem einen Scheitel ziehen, denn der Abstand der Kiste vom Strassenbelag beträgt gerade mal 1,70m.
Der Parkplatz ist vollkommen frei, doch nicht verfügbar, da gerade Markierarbeiten im Gange sind. Auf der angrenzenden Wiese dürfen wir unseren Pkw abstellen. Während die Holzkiste Fahrgäste nach oben befördert, sind wir die einzigen Irren, die zu Fuss gehen wollen. Die Holzkiste schwebt auch nicht in unsere Richtung.
Wir folgen dem Asphaltsträsschen in Richtung Süden. Längst sollte nach rechts ein Weg abzweigen. Ein genauer Blick auf die Karte verrät uns, dass wir verkehrt sind. Irgendwo rechts über uns muss der geplante Weg verlaufen. Eine weglose Querung durch den steilen Wald bietet sich im Moment nicht an, also laufen wir weiter, bis sich der Wald bei einer Kuhweide lichtet und steigen dort den steilen Grashang hinauf.
Nach einem gefühlten Kilometer, Luftlinie aber nicht mal 200m, stossen wir auf ein Asphaltsträsschen, das wohl unserer geplanten Strecke entsprechen könnte. Der freie Blick in das Tal der Wildhuser Thur deutet darauf hin. Vorbei an mehreren Bauernhäusern und vielen blühenden Wiesen führt das Strässchen stetig aufwärts.
Nach etwa 20 Minuten wechselt der Belag von Asphalt nach Schotter und der Weg macht ein paar grössere Bögen, bis er schliesslich an einer Holzhütte endet. Ein Pfad ab hier stösst nach wenigen Metern an eine Mauer aus Naturstein. Es handelt sich um eine Gemeinde- und Bezirksgrenze. Neben einem hohlen Baum wechseln wir durch ein Drehkreuz den Kanton.
Durch die bunten Blumenwiesen deuten jetzt nur noch kleine, gelbe Pföstchen den Pfad an. Zehn Minuten Später werden wir mit den Worten "Willkommen im Arsch" empfangen, eingebrannt in eine Holztafel an der Wand eines Bauernhauses. Sind wir jetzt am Arsch der Welt? Ein Blick in den Innenraum des Bauernhauses versetzt uns in eine frühere Zeit zurück.
Tür an Tür liegt der Kuhstall an der Wohnküche, so dass man nicht mal aufstehen müsste, um direkt vom Euter der Kuh frische Milch in die Kaffeetasse zu spritzen. Doch im Moment steht keine Kuh im Stall. Der Stall ist so sauber herausgeputzt, dass so manche Grossstadtwohnung dagegen ein Saustall wäre.
Während einer kurzen Pause gibt es um das Bauernhaus allerlei bunte Blumen zu fotografieren. Dann laufen wir auf einem Schotterweg weiter aufwärts, durch teils offenes Gelände, teils sonnendurchfluteten Wald. Nach 20 Minuten mündet der Schotterweg bei Chalt-Gräben in ein Betonsträsschen, das Starkenbach mit Vorder Höhi verbindet. Eine Verbotstafel zeigt hier an, dass der Schotterweg zur Alp Arsch für Radfahrer für'n Arsch ist.
Noch mal 20 Minuten laufen wir gemütlich und kaum ansteigend das Betonsträsschen bis zur Vorder Höhi. Dabei fotografieren wir immer wieder durch Baumlücken die drei Gipfel des Goggeien. Nur mit der Zoomfunktion der Digitalkamera kann auf dem mittleren Gipfel ein Aufbau beobachtet werden, der einer Wünschelrute gleicht. Die Hoffnung, auf Vorder Höhi einkehren zu können, müssen wir schnell aufgeben, denn die Hütten sind alle geschlossen.
In Richtung Süden verlassen wir das Betonsträsschen und gewinnen knapp 100 Höhenmeter, bevor es wieder leicht abwärts geht. Durch Baumlücken können wir immer wieder in das Toggenburger Tal und zu den Gipfeln des Alpsteinmassiv sehen. Auffällig viele tote Bäume sind auf diesem Abschnitt zu beobachten. Rechterhand kommt eine steile Kante des Flügenspitz zum Vorschein, doch der Pfad führt zunächst gen Süden am Flügenspitz vorbei. Auf einem Sattel zweigt dann ein schmaler Gratweg nach rechts ab und bringt uns direkt auf den Gipfel des Flügenspitz.
Nur eine dünne Stange markiert den Gipfel, die Querstange des ehemaligen Kreuzes ist offensichtlich abgefallen. Für kurze Zeit halten wir uns auf diesem Vorgipfel des Leistchamm, der im Süden die Fernsicht versperrt, auf. Dann laufen wir auf dem Gratweg zum Sattel zurück und folgen kaum 10 Minuten einer Bergkante, an der es linkerhand fast senkrecht ab geht. Windgeschützt lassen wir uns unterhalb der Kante auf einer grünen Wiese zur Pause nieder.
Kaum ist das Hefeweizen eingeschenkt, knallt schon der Korken einer nachträglichen Geburtstagssektflasche und dazu wird noch ein Quittenlikör offeriert. Das kann ja heiter werden, denn ein Drahtseilweg steht noch bevor. Doch wir geniessen erst mal die Pause und bewundern die senkrechte Felswand unterhalb des Leistchamm, über der unser bevorstehender Pfad zu erkennen ist.
Den ganzen Alkohol schwitzen wir nach der Pause sofort wieder heraus, wie der Pfad auf kurzer Strecke 150 Höhenmeter ansteigt. Von oben überblicken wir den gesamten Grat zum Flügenspitz. Auf der linken Seite ist eine kleine Ecke des Walensee zu erkennen, darüber die Häuser von Arvenbüel. Im Rechtsschwenk folgen Federispitz, Mattstock, Speer, Gulmen, Goggeien, Stockberg, Neuenalpspitz und die Gipfel des Alpstein.
Über eine in den schrägen Fels gehauene Rinne passieren wir die Stelle über der Felswand, die wir vom Pausenplatz bewundert haben. An den Fels getackerte Wanderwegweiser zeigen die Abzweigung zum Leistchamm mit 45 Minuten Gehzeit an. Wir bleiben aber auf dem Toggenburger Höhenweg.
In den Fels gehauene Stufen und Drahtseile erleichtern den weiteren Aufstieg. Sogar ein Löffel wurde mit dem Drahtseil an den Fels geschraubt. Dessen Funktion ist jedoch unklar. Immer wieder gibt es zwischen den Felsspalten die schönsten Alpenblumen zu fotografieren. Für eine Nahaufnahme muss man sich nicht einmal bücken.
Ungefähr zwei Kilometer zieht sich ein spannender Pfad durch eine faszinierende Felslandschaft, in der immer wieder kurze Passagen mit Drahtseil gesichert sind. In schattigen Felsnischen liegen noch letzte Schneereste. Kleinere Schneefelder müssen überquert werden. Die Witterung hat in Millionen von Jahren tiefe Löcher und Spalten in das Gestein gefressen. Und immer wieder bilden Alpenblumen bunte Farbtupfer im grauen Fels.
Auf der Hochebene Hinter-Selun wird die Landschaft grüner. Es blüht sogar der gelbe Enzian und die Alpenröschen. Eine Tafel zeigt uns Information zu unterirdischen Wasserläufen an. Daneben klafft ein tiefes Loch, umgeben von einer Mauer aus Naturstein. Fast eine Stunde laufen wir gemütlich über die Hochebene Hinter-Selun leicht abwärts, vorbei an vielen, bunten Blumenwiesen, bis wir schliesslich die Ochsenhütte erreichen. Leider hat die Saison auch hier noch nicht begonnen, so müssen wir uns mit dem mitgebrachten Vesper begnügen.
Genauso gemütlich geht es nach der Pause weiter. Die bunten Blumenwiesen bleiben uns noch erhalten. Nach einer viertel Stunde passieren wir die Vordere Selunalp mit der Bergstation der am Seil hängenden Holzkiste. Ein halbes duzend Autos ohne Nummernschilder sind hier abgestellt, ein böser Kontrast zur wunderschönen Berglandschaft.
Statt hier direkt nach Starkenbach abzusteigen, wollen wir noch einen Abstecher über den Strichboden zum Wildenmannlisloch machen. Nach wenigen Metern zweigt ein Pfad von Schotterweg ab und nicht mal 10 Minuten später passieren wir die verschlossenen Türen der Alpwirtschaft Wildmannli am Strichboden. Wir lassen die Alpwirtschaft links liegen und laufen auf einem Schotterweg abwärts, immer den Selun vor Augen.
Fünf Minuten später, nach einem kurzen Aufstieg, stehen wir vor dem Eingang der Höhle Wildenmannlisloch. Sie soll vor 40000 Jahren besiedelt gewesen sein. Wir wollen die 140m tiefe Höhle begehen und packen unsere Taschenlampen aus. An das sonnige Tageslicht gewöhnt, tappen wir zunächst trotz hellem Lampenschein fast im Dunkeln. Der Boden ist nass, holperig und sehr rutschig. Langsam tasten wir uns vor bis auch das Tageslicht vom Eingang nicht mehr zu sehen ist und wir am Höhlenende anstossen.
Zurück am Tageslicht, kehren wir über Strichboden zurück zur Vorderen Selunalp. Von dort geht es auf einem breiten Weg in weiten Kehren abwärts. Wieder fallen besonders viele tote Bäume am Berghang auf. Über Wiesenpfade und einen Waldweg erreichen wir schliesslich den Parkplatz am Ortsrand von Starkenbach.
Inzwischen wurde der Zaun um die Wiese, auf dem unser Auto steht, wieder geschlossen. Vielleicht dachten die Arbeiter, die morgens am Parkplatz die Markierarbeiten verrichteten, dass ein Auto, an dem ein ganzer Tag das Licht brennt, sowieso nicht wegfahren kann. Doch die Batterie ist stark und der Motor springt an. Und an einer Ecke lässt sich der Zaun öffnen. So kommen wir zu unserer letzten Einkehr in einer Gartenwirtschaft in Starkenbach.