Sa. 24.04.2010, Weg der Schweiz (2) | Fr. 14.05.2010, S.Fidelino |
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Vor dem Crotto Ombra biegen wir in eine graue Gasse ein, grade passend zum grauen Himmel. Zwischen Mauern und alten Häusern folgen wir einem Pflastersteinweg, der nach ein paar Hundert Metern einen Linksbogen bergwärts macht. Wie schon einmal, bei einer früheren Wanderung, lassen wir uns durch einen nicht für uns bestimmten Wegweiser vom rechten Weg abbringen (und gehen den rechten Weg). Wie der Weg abwärts geht, ist klar, dass wir auf Abwegen sind. Linkerhand verschwindet ein schmaler, unscheinbarer Trampelpfad im nassen Dickicht. Den hatte uns ein Einheimischer vor zwei Jahren gezeigt. Auf glitschigglatten Steinen steigen wir den manchmal kaum erkennbaren Pfad hinauf, vorbei an Farn und Bächlein, bis er in den breiten Hauptweg mündet. Nach einer guten halben Stunde erreichen wir einen Aussichtspunkt, von dem man einen wunderschönen Blick über das alte Städtchen Chiavenna haben könnte, nicht aber heute. Die tiefhängenden Wolken lassen kaum einen Blick durch. Wir stellen fest, dass unsere Regenkleidung dicht ist, und zwar in beide Richtungen. Was nicht von aussen kommt, kommt von innen. Der beste Schutz vor Nässe ist der Schirm, wenn es nicht stürmt. Da es nichts zu gucken gibt, halten wir uns nicht lange auf. Der Weiterweg gestaltet sich äusserst glitschig. Wie mit Schmierseife überzogen, bildet die Nässe auf den glatten Treppenstufen aus Naturstein eine schlüpfrige Oberfläche. Teilweise nutzt das Wasser die Treppenwege zum leichteren Abfliessen. Eine Stunde lang balancieren wir die endlosen Stufen durch die 100 prozentige Luftfeuchtigkeit hinauf, bis im Nebel die ersten Häuser von Uschione zum Vorschein kommen. Der Ort macht einen unbewohnten Eindruck. Erst bei einem Gebäude, das früher einmal als Schulhaus diente, treffen wir einen der wenigen ganzjährigen Bewohner des Ortes. Wir erfahren, dass früher 300 Menschen in Uschione gelebt haben. Heute dienen die meisten Häuser lediglich als Feriendomizil, obwohl ein Asphaltsträsschen von Chiavenna nach Uschione herauf führt. Bei diesem Dauerregen sehen wir keinen Grund, länger in Uschione zu verweilen, zumal es auch keine Einkehrmöglichkeit gibt. Bei gutem Wetter kann man vor dem Schulhaus sitzen und manchmal werden dort auch Getränke verkauft. Aber heute ist Uschione geschlossen. Wir umrunden die Kirche, passieren auf einer Anhöhe einen kleinen Friedhof und verpassen schliesslich zwischen den alten Natursteinhäusern eine Abzweigung. Deshalb drehen wir im gefühlten Dorfkern um und folgen dem Weg, der nur mit viel Fantasie als offizieller Wanderweg erkannt werden kann. Am Dorfrand stossen wir auf ein Asphaltsträsschen, dem wir ein Stück in Richtung Osten folgen. In den folgenden anderthalb Stunden steigen wir insgesamt etwa 200 Höhenmeter an. Gelegentlich weicht ein Fusspfad vom Strässchen ab und durch Dickicht und Nebel verschwindet das Strässchen aus dem Blickfeld. Nach einer halben Stunde scheint der Pfad abrupt steil über dem Strässchen zu enden. Ein Teil des Pfades ist abgerutscht, so dass wir über die nassen und glitschigen Felsen nach unten klettern müssen. Viele kleine Bäche sind zu überqueren, meist über eine Brücke. Doch an einem Bach gibt es keine Brücke. Unter normalen Wetterbedingungen würde hier ein beherzter Sprung zur Überquerung genügen. Aber heute ist der Bach zu einer echten Herausforderung angeschwollen. Den Sprung auf einen nassen Fels inmitten des Baches wagt zunächst niemand. Die wenigen Äste, die quer über den Bach liegen, brechen bei der geringsten Belastung. Irgendwie schafft es doch jeder ans andere Ufer, ohne komplett baden zu gehen. Unter dem Vordach eines Ferienhäuschens futtern wir im Stehen einen Happen und locken ein paar neugierige Ziegen an. In anständiger Distanz bleiben sie wie versteinert stehen und beobachten uns. Nach einer Weile drehen sie gelangweilt ab. Vor der Siedlung Pradella ist der breite Schotterweg mit einem rotweissen Plastikband abgesperrt. Eine Durchfahrt ist zweifach verhindert. Ein Teil des Weges ist nach unten abgerutscht und ein Fels im Hundehüttenformat ist von oben auf den Weg gekugelt. Das rotweisse Band ist für uns das grössere Hindernis. Eine kleine Kapelle und ein Haus, das unter einen Felsvorsprung gebaut wurde, finden unsere Aufmerksamkeit. Dann entscheiden wir an einer Wegverzweigung, nach Borgonovo abzusteigen. Im Zickzack führen steile Steintreppen abwärts. Das nasse Laub auf den Stufen versteckt zwar so manche Unebenheit, bietet aber geringfügig Halt auf den ansonsten glitschigen, glatten Steinen. Inzwischen lässt der Regen nach. Felswände und die Reste von alten, halbverfallenen Steinhäuschen sind durch Moose leuchtend grün eingefärbt. Auch die frischen Blätter der Bäume leuchten in hellem grün. Nach einer Stunde erreichen wir das Tal und treten aus dem Wald heraus. Vor uns sehen wir auf der anderen Talseite den mächtigen Wasserfall Cascate dell' Acqua Fraggia. Der Pfad, rechts und links von meterhohen Mauern aus Naturstein begrenzt und mit hohem Farn überwachsen, führt direkt auf alte Steinhäuschen zu. Hier scheint es nicht viel Fremdenverkehr zu geben. Wir biegen nach ein paar hundert Metern nach links ab und folgen dem Asphaltsträsschen, das nach Chiavenna führt. Ein Felsvorsprung wurde durch einen kurzen Tunnel passierbar gemacht und kurz danach überquert eine Holzbrücke den breiten Fluss Mera. Entlang der Strasse nähern wir uns Prosto, wo wir über eine gepflasterte Brücke erneut die Flussseite wechseln. Da wir das Naturschutzgebiet Marmitte die Gianti noch durchstreifen wollen, müssen wir noch einmal 150 Höhenmeter hinauf steigen. In der Nähe der Kirche an der Brücke finden wir den Aufgang zum Naturpark. Zwischen senkrechten, von Gletschern glatt geschliffenen und vor Nässe triefenden Felswänden gewinnen wir über Natursteintreppen an Höhenmeter. An manchen Kanten der glatten, felsigen Anhöhen schützen Geländer vor dem Abstürzen. So manche Vertiefung im Fels ist mit Wasser gefüllt. Auch die Gletschermühlen, das sind vom Gletscher geformte Becken, sind wassergefüllt. Wir irren durch das Felslabyrinth, immer auf Chiavenna zu. Das scheinbare Ende des Weges in einer Höhle entpuppt sich als Irrtum, denn auf der anderen Seite existiert ein Ausgang. Entlang eines reissenden Baches stossen wir schliesslich an die Mauern des Friedhofes von Chiavenna. Vor der Crotto al Prato studieren und fotografieren wir die Menükarte. Dort wollen wir am Abend einkehren. Wenige Minuten später sitzen wir auf der Terrasse unseres Hotels und geniessen noch vor dem Duschen einen kleinen Umtrunk. | ||||||||||||||||
Bild 1: Wasserfall und Farn | ||||||||||||||||
Bild 2: überflutete Stufen | ||||||||||||||||
Bild 3: Wanderweg über Uschione | ||||||||||||||||
Bild 4: verfallene Hütte | ||||||||||||||||
Bild 5: Nebelstimmung | ||||||||||||||||
Bild 6: Siedlung | ||||||||||||||||
Bild 7: Kapelle in Pradella | ||||||||||||||||
Bild 8: Haus mit Felsdach | ||||||||||||||||
Bild 9: Wanderweg | ||||||||||||||||
Bild 10: Wanderweg | ||||||||||||||||
Bild 11: Wanderweg | ||||||||||||||||
Bild 12: Wanderweg | ||||||||||||||||
Bild 13: verallenes Haus | ||||||||||||||||
Bild 14: Wanderweg | ||||||||||||||||
Bild 15: Wanderweg | ||||||||||||||||
Bild 16: Blick zum Cascate dell´Acqua Fraggia | ||||||||||||||||
Bild 17: Blick zum Cascate dell´Acqua Fraggia | ||||||||||||||||
Bild 18: Tunnel an der Mera | ||||||||||||||||
Bild 19: Kirchturm von Prosto | ||||||||||||||||
Bild 20: Farn auf Fels | ||||||||||||||||
Bild 21: Weg in Marmitte dei Gianti | ||||||||||||||||
Bild 22: Weg in Marmitte dei Gianti | ||||||||||||||||
Bild 23: Gletschermühle | ||||||||||||||||
Bild 24: Blick auf Campedello | ||||||||||||||||
Bild 25: Fels in Marmitte dei Gianti | ||||||||||||||||
Bild 26: Weg in Marmitte dei Gianti | ||||||||||||||||
Bild 27: Kakteen | ||||||||||||||||
Bild 28: steiler Abstieg | ||||||||||||||||
Bild 29: Felslabyrinth | ||||||||||||||||
Bild 30: Höhlenausgang | ||||||||||||||||
Bild 31: Felslabyrinth | ||||||||||||||||
Bild 32: Weg in Marmitte dei Gianti | ||||||||||||||||
Bild 33: Bach und Weg in Marmitte dei Gianti |
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